Kabinengeflüster III (Kolumne von Gottfried Weise)

21. Januar 2008

Einmal Kapitän, immer Kapitän ?  „Jockel“ Rieck

mit dem Werdegang von Hans-Peter Briegel

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Von wegen Kabinengeflüster!

Da wird gelacht, gesungen, geschnattert, gekichert. „Manchmal ist es wie im Kindergarten“, beschreibt Kapitän Jörg Rieck aufgekratzt die Kabinenszene und gesteht: „Ich genieße es, wenn die Truppe lebt.“…

Kein Wunder nach dem kleinen Wunder von Neukölln. Erst ein 0:2 – und dann in einem zwanzigminütigen Kraftakt die sensationelle Wende zum 3:2. Die Mannschaft von Trainer-Ökonom Dr. Gerhard Schreiber produzierte urplötzlich 100 Prozent „Mehrwert“. Zunächst Sven Küchler, dann  Peter Wichmann und schließlich Carsten Staaks, der neue Klein(feld-)Künstler „mit Auge“. Das löste eine kollektive Euphoriewelle bei den Beobachtern aus – der verletzte Berichterstatter Michael Schuth explodierte in selten erlebter Pose: Beckerfaust; der Flagge zeigende Fredi Köntopf wedelte mit seinem knallroten Regenschirm und der am Knie operierte Henry Rembach fuchtelte mit dem Krückstock.In der Kabine heizte „Comedian“ Thomas Radatz die Stimmung an. „Zickezacke…“ Gelebter Teamgeist.

„Keiner hat nach dem 0:2 den Kopf in den Sand gesteckt“, lobt Jockel und empfängt sogleich von einem der Verlierer von SF Neukölln Rudow nicht alltägliche Anerkennung: „Respekt. Du hast eine wirklich geile Band.“ Zu der gehören auch Heiko Schickgram und Raimond Kluge – der eine verletzt, der andere beruflich gebunden. Doch beide bimmelten den „Capitano“  noch in der Kabine an und gratulierten.„Zwei sehr positive Typen“, stellt Jörg Rieck fest und ist überzeugt:  „Wenn einer von den beiden fehlt, dann hat es zwingende Gründe…“

Der 46jährige gelernte Elektromonteur stellt sich vor sein Team, lässt es aber auch deutlich wissen, was seine Philosophie ist: „Das Team ist alles, der einzelne nichts.“ Damit einher geht auch die Spielersuche nach einem bestimmten Typ: „Der Charakter muß stimmen.“ Er erläutert das am Beispiel von Norbert Wollschläger, der einst als Libero für Hansa Rostock immerhin 23 Spiele bestritt. „Natürlich war uns klar, dass er uns spielerisch voranbringen könnte“, analysiert der Teamleader, „doch wir brauchten andererseits keinen sogenannten Star mit überzogenem Ego.“ Da Jörg Rieck zuvor aber schon Bruder Hardy Wollschläger in gemeinsamen Zeiten von Autotrans kennengelernt hatte, sagte er sich: „Der Bruder war okay. Also kann der Norbert Wollschläger auch nicht verkehrt sein…“ In der Tat. Obwohl der gebürtige Greifswalder in der ersten Halbserie verletzungsbedingt nur vier Spiele bestritt, engagierte er sich als Aushilfscoach und stellte sich bei Neukölln Rudow der Mannschaft wieder als Abwehrchef zur Verfügung.

Natürlich war noch nicht alles Gold was glänzt, aber schon ein Genuß, wie Norbert Wollschläger über Andre Weise und Peter Wichmann das 2:2 vorbereitete, „Ja, wir haben schon ein vielversprechendes Potential“, blickt Jörg Rieck, der dynamische Defensivmann auf der rechten Seite voraus und ergänzt: „ Mit der Superleistung in den letzten zwanzig Minuten hat sich die Mannschaft selbst den Maßstab für die nächsten Spiele gesetzt…“

Einmal Kapitän, immer Kapitän ?

Eigentlich hatte der Junge aus Hoppegarten mit Fußball lange nichts am Hut. Stattdessen quälte er sich 20 Kilometer auf der Straße, lotete seine Fähigkeiten im Zehnkampf aus. Erst Anfang der 9. Klasse lockten ihn die Mitspieler zum Fußball. „Ich war damals sehr schnell, schnappte mir den Ball und hängte alle ab“, erinnert sich Jockel. Dabei entdeckte er etwas, was ihn bis heute fasziniert: „ Mir fehlte bis dahin die Gruppe, das Teamerlebnis.“ Dieses kostete der „Spätberufene“ Jörg Rieck dann beim Bezirksligisten Autotrans Mitte/Ende der 80er Jahre aus; zusammen mit seinem acht Jahre jüngeren Bruder Reiner, der „weit begabter war als ich, sich bei Union später allerdings nicht dauerhaft festbeißen konnte“. Der ältere Bruder genoß schon mit 27 Jahren bei Autotrans das Vertrauen der Mitspieler als Kapitän. Immerhin war er von oberligaerfahrenen Spielern wie Keeper Reinhardt Schwerdtner (BFC Dynamo/Energie Cottbus) oder Angreifer Detlef Helms (BFC Dynamo/1. FC Union) umgeben. Jörg Rieck gibt zu: „Damals war ich schon ein wenig stolz, denn der Kapitän wurde ganz demokratisch gewählt. Alle Spieler gaben dem Trainer kleine Zettel ab. Da erhielt ich ganz klar die meisten Stimmen. Vielleicht lag es daran, dass ich mich als Vermittler sah, als Interessenvertreter von beiden Seiten beim Aushandeln der Spielerprämien. Wichtig war mir nicht, für einen herausragenden Typ ein besonders hohes Honorar herauszuschlagen, sondern das Optimale für das Team zu erkämpfen.“ So hielt es Jockel auch im Trikot von Vorwärts Storkow, wo er während seiner 18monatigen Armeezeit mit den Oberligaspielern Thomas Dennstedt (Lok Leipzig) und Martin Iffahrt (Rot-Weiß Erfurt) eine kleine Pokalsensation gegen Stahl Eisenhüttenstadt schaffte. „Das war mein geilstes Spiel“, erinnert er sich an den Hit aus der Saison 1984/85: „ Mit meinem Tor hatten wir Hütte rausgekegelt.“ Damals war Harry Rath schon Trainer. „Der hatte mich lose angequatscht und mich zum Probetraining eingeladen“, meint Jörg Rieck, „doch ich habe die Einladung dann doch nicht wahrgenommen.“

So blieb der Mann mit dem „Werdegang des einstigen Zehnkämpfers Hans-Peter Briegel“ eine feste Größe bei Autotrans .Spieler wie Sven Küchler, Jürgen Hinz oder Michael Schuth, die in den Wendejahren gemeinsam mit Jörg Rieck zur Fortuna nach Biesdorf wechselten, schätzen ihren Käpt`n also schon länger wegen seiner Einstellung. „Ich bin ein positiv Verrückter und gehe zweimal unter der Woche 5 Uhr morgens zum Joggen in den Wald.“ Wow! Da zuckt er nicht mit der Wimper: „ Das bin ich der Truppe als Kapitän schuldig.“ Kaum ein Gramm zuviel am Körper, ideale 72 Kilogramm bei 1,80 Meter. Die Mitspieler wissen – auf unseren Mann mit der Nr. 4 ist Verlaß. Dabei nimmt er sich selbst nicht zu wichtig: „Ich kann flanken, ganz gut absichern, aber unter Druck fällt es mir schwer, das Tor zu treffen.“ Trotzdem: Viermal in 12 Partien gelang es schon…

Fast ausnahmslos bei den Heimpartien dabei – seine Frau Sabine, die auch am Joggen ihre Freude hat bzw. beim Strampeln auf dem Fahrrad.

Die ältere der beiden Töchter, Caterina(26) lebt in Hamburg, trieb Leichtathletik, bis das Knie streikte. Weiter brachte es „Nesthäkchen“ Tina(19), die Berliner Meister im Dreisprung wurde. Seit allerdings der Rücken Probleme bereitet, mußte sie den Leistungssport aufgeben. Findet seit drei Jahren Spaß am Volleyball…

Und der Vater ? Einmal Kapitän, immer Kapitän!

                                                                                            gw

10 Fragen an den Kapitän

 

Was bedeutet Dir Fußball ? Spaß im Team.

Dein Erfolgsgeheimnis ? Eiserner Wille. Ich kann mich quälen.

Was motiviert Dich ? Wenn in der Truppe konstruktiv diskutiert wird…

Worüber kannst Du Dich aufregen ? Wenn einer zu schnell aufgibt, den Kopf in den Sand steckt.

Deine Lieblingsmannschaften ? Dynamo Dresden zu Oberligazeiten und Liverpool in der Ära mit Kenny Dalglish.

Deine Fußball-Idole aus der Kindheit ? Reinhard Häfner und Jürgen Pommerenke. Die spielgestaltenden Fähigkeiten von diesen beiden hätte ich gern gehabt.

Deine persönliche Sternstunde ? Als ich Hütte im Pokal abschoß, im Frühjahr 1985.

Deine größte sportliche Niederlage ? Das Aus im Halbfinale mit der AK 32 in der Verbandsliga. Habe nie um die Meisterschaft mitgespielt, bin aber auch noch nie abgestiegen.

Was würdest Du als Bundestrainer sofort machen ? Dafür sorgen, dass Jens Lehmann wieder einen Verein bekommt, wo er regelmäßig spielt. Finde aber Jogi Löw

gut. Der wird schon einen Weg finden.

Dein Lebensmotto ? Sich nie mit dem Erreichten zufrieden geben…       

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